Ich bin ein Rebell. Ein beinharter, nimmermüder Rebell. Ich lehne mich gegen das schreibende Establishment auf, rüttle an den Festen von Epik, Lyrik und Drama, watsche die eingerosteten Möchtegern-Dichter ab. Ich watsche sie ab, weil sie nichts dazu lernen. Weil sie ihren paar guten und gut gemeinten Textfitzeln einen Berg an Verkrustungen, Häme und Kritikastertum zur Seite stellen. Weil sie den jungen Wilden über das Blatt fahren und in ihrer Eitelkeit alle Eleganz und Leichtigkeit plattwalzen wollen. Weil sie, kaum sich oben wähnend, die Leiter allen Nachfolgenden wegtreten. Weil sie vor lauter Nach-unten-Treten nicht einmal merken, wie sie, weit vom Gipfel entfernt, auf dem schmalen Sims der Orthographie, der Interpunktion und der lyrischen Formenleere dahindarren. Deshalb watsche ich sie ab. Ohne Milde, ohne Nachsicht, ohne Gnade.
Ich bin ein Rebell. Ein unbeugsamer, furchtloser Rebell. Ein tollkühner Wanderer zwischen den, nein ... durch die Welten. Transzendental transportiere ich meine trendigen Botschaften, treffe Trolle, trotze trauernden Trunkenbolden, trete trautem, tristem Tran entgegen. Ich bin ein Terminator der grotesken Grottenlyrik, der gehobenen Gossendichtung. Ich terminiere die tickende Beliebigkeit der Behäbigen, der Aufgeblasenen, der Plusterpfauen. Ich schmettere ihnen mit erhobener Faust die Wahrheit ins Gesicht: „Ihr seid scheiße! Ihr steckt in eurem modernden Morast bis über beide Ohren fest. Ihr seid verstockte Konservationisten, kleinliche Verkriecher und Verpisser vor dem Neubeginn. Ihr seid nicht würdig, euch Lyriker schimpfen zu lassen, denn ihr bewegt nichts. Ihr hockt miesepetrig in eurer eigenen, abgestandenen Bratensoße, die nach Essig und ranzigem Öl stinkt.“
Ich bin ein Rebell, ein ausdauernder Rebell. Ein alternder Rebell, der immer öfter merkt, wie scheiß konservativ er selbst geworden ist. Ein Rebell, der das Prinzip zwar stets hochgehalten, aber darunter vor allem die eigene Meinung und die von Seinesgleichen verstanden hat. Ein Rebell, der mit dem nachrückenden Neuen genauso wenig anfangen kann, wie die verkrusteten Altvorderen, gegen die er bislang so fanatisch und erbarmungslos angerannt ist.
Ich bin ein Rebell, der sich in Acht nehmen muss, der zum Bewahrer werden will. Nicht zum Bewahrer dessen, wofür ich immer gestritten habe: Stile, Stilbrüche, Tabubrüche. Sondern zum Bewahrer dessen, wofür ich immer geglaubt habe zu streiten: Freigeister, Stilbrecher, Tabubrecher und vor allem für die Möglichkeit zu solchen zu werden.
Ich habe die bekämpft, die meine Stilbrüche nicht akzeptieren wollten. Das war wichtig und gut, emotional wie gesellschaftlich, und so soll es weiterhin sein. Aber ich ertappe mich gelegentlich dabei, dass ich die bekämpfen will, die meinen Stil brechen, ihn neu formen, ihn zerstückeln und zerreißen, so wie ich das zuvor mit anderen tat.
Ich bin ein Rebell, der - immer noch bissig - in die Kerben haut, Salz in die Wunden streut und dabei auch Vorsicht walten lassen muss, dass er nicht im Rundumschlag alles abrasiert, was er nur ob seines eigenen Starrsinns nicht verstehen kann. Ein Rebell, der eherne Brücken abgerissen und neue, filigrane gebaut hat. Ein Rebell, der aber nun die anderen auch bauen lassen muss, der nicht die eigenen Brücken verteidigen sollte, sondern die Kunst des Brückenbaus, bei der manch alte Brücke einer neuen Platz machen muss.
Ich bin ein Rebell, der schmerzlich feststellt, dass Rebellentum eben nicht bedeuten sollte, an den erkämpften eigenen Privilegien zu haften und es sich im weichen Sessel gemütlich zu machen. Schmerzlich, weil das andere doch so viel einfacher wäre und dabei gleichzeitig eine unsägliche Niederlage bedeutete, verbunden mit einem Kniefall vor dem eigenen Versagen und dem Verleugnen seiner im Sonnenschein der Überzeugung gewachsenen Ziele und Ideale.
Ich bleibe Rebell!
"Klare Kante"
"Stachels Festungspostille II"