„[...]“ – Mir blieb die Spucke weg. Ich widerstand dem Drang mich umzudrehen. Bei einer so bodenlosen Unverschämtheit konnte ich diese unflätige Person nicht auch noch mit Beachtung belohnen. Ich haderte noch mit mir, ob ich mich nicht zumindest innerlich ordentlich aufregen sollte, als mir auffiel, dass ich gar nicht gemeint sein konnte. Der Begriff passte nicht. Also er passte nicht nur nicht zu mir, er war auch in sich selbst unzulänglich, quasi fehlgebaut und somit nicht existent - nichtig!
Woher kam das „S“ in der Mitte? Ich meine, es war vielleicht angelegt an den Begriff „Dreckskerl“, aber da hat der Buchstabe doch wohl eher eine Fugenwirkung. Er verhindert, dass die beiden „K“, nämlich das Ende von Dreck und der Beginn von Kerl aufeinanderstoßen, zumal der Dreck auch noch ein „C“ vor dem „K“ aufweist. Um die Wortbestandteile fein säuberlich voneinander zu trennen und damit sich niemand fragt, was denn ein Dreckkerl ist, womöglich von einem Schreibfehler ausgeht und schon beginnt „Dreckerl“ im Wiktionary nachzuschlagen, steht da ein Fugenbuchstabe und erlaubt obendrein eine wesentlich leichtere Betonung auf beiden Wortsilben gleichzeitig.
Beim Zusammentreffen von „K“ und „F“ war das hingegen nicht notwendig und wird ja in anderen Fällen auch nicht praktiziert. Die „Dreckschleuder“ heißt doch auch nicht „Dreck-s-schleuder“, wobei das hier schon fast wieder sinnvoll wäre, ein Genitiv-S einzusetzen wie z.B. beim „Schafskäse“ – „Käse des Schafs“ – hier eben „Schleuder des Drecks“.
An dieser Stelle fiel mir ein, dass sich mein Bruder früher immer sehr köstlich amüsierte, wenn in der Familie von „Schafskäse“ die Rede war. Er meinte, es hieße doch „Schaf-Käse“, also ohne „S“ in der Mitte. Schließlich sage man auch nicht „Kuh-s-milch“. Nun wissen aufmerksame Menschen sofort: Die Genitivform von Kuh hat überhaupt kein „S“: „Milch der Kuh“, eben Kuhmilch. Die Kuh bleibt in jedem Fall, auch im Genitiv, „s“-frei.
Kommen wir zurück zur „Dreckschleuder“. Ein gewichtiger Grund, der gegen das Einfügen eines „S“ zwischen die Hauptwörter, also „Dreck“ und „Schleuder“, spricht, ist die Tatsache, dass „Schleuder“ wiederum mit ebendiesem Buchstaben beginnt. Und „SS“, besser gesagt Doppel-„S“, an dieser Stelle für Verwirrung sorgen könnte. Doppelkonsonanten treffen eher selten aufeinander. Das „C“ in Dreck ist die übliche Verdoppelung des folgenden „K“, die beiden „S“ stünden unmittelbar dahinter: „Drecksschleuder“ - es sieht komisch aus und konsequent beide „S“ zu sprechen führte zu einem Knoten in der Zunge.
Zudem können einem Zweifel kommen, ob es sich überhaupt um eine Genitivform handeln kann, denn „Schleuder des Drecks“ würde in diesem Fall bedeuten, dass ein bestimmter Dreck gemeint ist, indiziert durch den bestimmten Artikel „des“ - hier wie bereits ausgeführt im Genitiv. Viel eher dürfte es sich um allgemeinen, um unbestimmten Dreck, vor allem auch in unbestimmter Menge, handeln. Gemeint ist also eine „Schleuder von Dreck“, wie auch immer der geartet sein mag.
Beim „Schafskäse“ funktioniert das übrigens nicht, denn Käse von einer unbestimmten Menge an Schafen müsste „Schafekäse“ heißen, wegen der Mehrzahl. Allenfalls könnte man noch das Schaf schlechthin, also das Schaf als Gattungsbegriff, als „Pars pro Toto“, als Einzeltier-Stellvertreter für die gesamte Gruppe der Gemolkenen, also Schafe natürlich, nicht etwas Kühe, denn das würde alles vermischen, ... sei's drum. Dann spräche man von der „Milch vom Schaf“. Quasi eine Umgehung des Genitivs. Bildungssprachlich sicher fragwürdig … Bis mir auffiel, dass das beim „Rehrücken“ und „Hammelfleisch“ auch wunderbar funktioniert. Keiner spricht von „Rehsrücken“ oder „Hammelsfleisch“.
Als somit meine fein säuberlich gebaute grammatische Deduktion wie ein Kartenhaus unter dem Einfluss von 20 Liter darüber entleerter „Ochsens-Schwanzes-Suppe“ zusammensackte, widmete ich mich lieber wieder meiner Grundüberlegung.
Es war also ausgemacht: Das „S“ gehörte da nicht hin. Da hatte sich offenkundig jemand vertan und überhaupt kann es sich nur um ein Missverständnis gehandelt haben. Wer würde sich schon von nicht-existenten Begriffen beleidigt fühlen?