Wir kennen uns aus dem Internet. Gestern haben wir lange im Forum geschrieben. Er hatte ein offenes Ohr für mich und ich fühlte mich direkt verstanden. Wir lagen total auf der gleichen Wellenlänge. Es war, als hätten wir schon ewig voneinander gewusst und uns nach langer Zeit endlich gefunden. Dabei war er super einfühlend und sehr entgegenkommend. Durfte ich ihn überhaupt mit meinem Berg von Problemen belasten? Ich wollte ihn auf keinen Fall ausnutzen, aber er schrieb mir, er könne mich sehr gut verstehen und ich solle mir keine Sorgen mehr machen. Er kümmere sich jetzt um mich.
Ich laufe langsam durch das Waldstück, in dem er mich treffen will. Meinen Pulloverkragen habe ich hochgeschlagen. Das Wetter gleicht meiner Stimmung. Es ist dämmrig und kühl. Nicht unangenehm, aber zu kühl für einen lauen Sommerabend. Die Wolken hängen tief und vermutlich wird es gleich noch regnen. Irgendwie ein perfektes Wetter für uns. Links von mir knackt ein Ast. Erschrocken springe ich einen kleinen Satz zur Seite und wende mich um. Nein, ich soll nicht nach ihm suchen. Ich fasse mich schnell wieder und gehe langsam weiter. Er schrieb, er sei Polizist, er habe eine Waffe und ich sei bei ihm in guten Händen. Er hat versprochen zu helfen und ich will ihm glauben. Er weiß natürlich, wie er unbeschadet davon kommt und seine Spuren verwischt. Vielleicht wechselt er anschließend auch selbst hinüber. Ich habe ihn gestern gar nicht gefragt, warum er im Suizid-Forum war. Ein Schuss durchbricht meine Gedanken.
"Düster bis Stürmisch"
"Stachels Festungspostille II"