Eine heiße Träne rinnt mir durch das Gesicht. Wobei die Träne selbst wahrscheinlich gar nicht heiß ist. Sie ist wohl eher besonders salzig. Aber sie brennt auf meiner Wange, die selbst wie ein kleiner Backofen glüht.
Ich halte noch das Bild – DEIN Bild – in den Händen. Das Bild auf dem du so schelmisch lachst und in die Kamera blinzelst. Das Bild, auf dem du mit dem Leben und dem Fotografen schäkerst - mit mir. Das Bild, das ich eben erst in die Hand genommen habe, als mein Blick darauf fiel. Ich kam gerade zur Tür herein, nachdem ich ganz in Gedanken den Schlüssel umgedreht haben musste.
Nur der eine Moment vor der Tür ist mir noch präsent. Bevor meine Gedanken wieder abdrifteten, überlegte ich, wie ich dort angekommen war. Die ganze Fahrt war wieder im Nebel der Erinnerungen verschwunden. Ich wusste, ich war die Treppe zur Haustür empor gestiegen. Davor hatte ich die Autotür zufallen lassen nachdem ich ausgestiegen war. Hatte ich rote Ampeln missachtet, Stoppschilder übersehen? Ich wusste es nicht. Es war keine lange Fahrt gewesen, aber sie verlief wie in Trance. Ich fuhr einfach los, als ich im Auto saß und mein Unterbewusstsein kannte den Weg.
Ich stieg in meinen viel zu leeren Wagen nach einem kurzen Weg über den Parkplatz. Das Hauptportal aus Glas und Stahl, ein eigentlich heller und freundlicher Eingangs- und Empfangsbereich hatte mich nicht aufmuntern können.
Hagel gegen die Scheiben hätte meiner Stimmung eher entsprochen, aber nur in Filmen richtet sich das Wetter nach Gefühlen.
Der lange Gang durch das Erdgeschoss aus dem Aufzug heraus. Ich wollte nichts von den bunten Bildern sehen, die an den Wänden prangten und die Besucher auf andere Gedanken bringen sollten. Die Stimme im Aufzug auf dem Weg nach unten hätte ich gerne auf Stumm geschaltet. Aber das ging nicht. Genau so wenig wie die Stimme zuvor auf Etage 8., ich konnte schon den Worten der Schwester auf der Station nicht entgehen, wie gut und tröstend sie auch immer gemeint gewesen sein mögen. Aber ich verdrängte sie nach Kräften, denn ich war alles andere als offen dafür. Ich kam ja gerade aus dem Zimmer, in dem DU lagst, in dem deine ruhigen Züge meinen letzen Blick auf dich auffingen und sich, soweit war ich sicher, für den Rest meines Lebens in Blutrot und Weiß in meine Seele tätowierten.
Eben erst stand ich an deinem Bett und gab dir einen Kuss auf die kühle Stirn. Mein Flüstern verhallte noch im Raum: Lebe wohl, wo immer das sein mag.
"Düster bis Stürmisch"
"Stachels Festungspostille III"